Die Papierberge auf dem Schreibtisch werden immer höher, die Handcreme liegt zwischen den Tackernadeln und Textmarkern und du suchst schon minutenlang nach diesem einen wichtigen Dokument für deine*n Kolleg*in. Geniales Chaos oder lästige Unordnung – was ist es für dich? Für mich definitiv letzteres. Zentimeterhohe Stapel und Unordnung auf meinem Schreibtisch oder allgemein in meinem Büro machen mich unruhig. Dir geht es vermutlich ähnlich, sonst hättest du diesen Artikel nicht angeklickt. Ich möchte dir hier einen Überblick darüber geben, was das Chaos auf deinem Schreibtisch mit dem Chaos in deinem Kopf zu tun hat und wie du dagegen vorgehen kannst. Denn Ordnung kann man lernen.
Darum solltest du Unordnung im Büro vermeiden
Vielleicht denkst du dir jetzt, dass es doch gar nicht so dramatisch ist, wenn du die Platte deines Schreibtisches hin und wieder nicht mehr sehen kannst. Es mag sein, dass Unordnung für dich etwas ganz anderes ist als für mich. Das ist auch vollkommen normal, denn Ordnung ist sehr subjektiv und jeder Mensch hat da ein anderes Empfinden. Ab einem gewissen Chaos-Zustand kostet dich Unordnung allerdings Zeit und damit im Zweifel dich selbst oder deinen Arbeitgeber auch Geld. Laut einer Studie des Stuttgarter Fraunhofer Instituts verbringst du als Angestellte*r ungefähr 10 Prozent deiner Arbeitszeit damit, Störendes aus dem Weg zu räumen oder die benötigten Dokumente zusammenzusuchen. Weil du ständig suchen musst, lenkt dich das Chaos auch immer wieder ab und du kannst dich nicht auf deine Arbeit konzentrieren.
Geringere Produktivität und die Broken Window Theorie
Somit mindert deine unordentliche Arbeitsumgebung also nicht nur deine Produktivität und Effizienz, sondern kann sich auch negativ auf das Arbeitsklima auswirken. Denn deine Kolleg*innen finden es sicher nicht lustig, wenn wichtige Unterlagen verschwinden oder sie ständig darauf warten müssen, dass du etwas in deinem Chaos wieder findest. Ich will dir auch erklären, wieso du erst gar keine Unordnung aufkommen lassen solltest. Die Antwort liegt in der sogenannten Broken Window Theorie. Vereinfacht gesagt beschreibt sie, dass Chaos weiteres Chaos anzieht. Wenn also schon irgendwo eine geringe Menge Müll herumliegt, wie z.B. Papier von den Süßigkeiten, die du dir im Nachmittagstief gegönnt hast oder dreckiges Geschirr, braucht es nicht lange und es sammelt sich um diese Dinge herum noch mehr Zeug an das dort nicht hin gehört.
Das Genie beherrscht das Chaos. Oder andersrum?
Du kennst bestimmt auch den Ausspruch des Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Das bedeutet auf unser Beispiel bezogen, dass du mit allem was du tust oder eben auch nicht tust, etwas über dich aussagst. So auch mit deinem Schreibtisch. Vielleicht rührt sich gerade eine kleine Stimme in deinem Kopf, die sagt „Das Genie beherrscht eben das Chaos“. Wenn dem so sein sollte, dann leg bitte mal die Hand aufs Herz und frag dich „Ist das wirklich so“? Warum liest du dann diesen Artikel? Aufräum-Coach Ghita Giede findet für diese Ausrede (meistens ist es eine) klare Worte: „Sie beherrschen es häufig nur, weil jemand anderes da ist, der es in Grenzen hält.“ Wenn du das also auf dich überträgst, bedeutet es, dass deine Kolleg*innen dein Chaos in Grenzen halten, dir also hinterherräumen, wenn sie z.B. deine benutzte Müslischale oder Kaffeetasse nicht mehr sehen können. Autsch. Erwischt? Nicht verzagen. Wir arbeiten ja gemeinsam daran, dass du diesen Punkt ändern kannst.
Chaos kann Stress auslösen
Ein weiterer Punkt warum du etwas gegen das Chaos auf deinem Schreibtisch tun solltest ist, dass alle Dinge, die dort kreuz und quer herumliegen und die du immer wieder anfassen musst, wenn du etwas suchst, eine stetige Reizüberflutung darstellen. Reizüberflutung ist für viele Arbeitnehmer*innen ein Auslöser für Stress. Ich kenne das von mir sehr gut. Geduld ist keine meiner Kernkompetenzen und Geduld mit mir selbst habe ich schon mal gar nicht. Wenn mein Arbeitsplatz dann auch noch wie Kraut und Rüben aussieht, verabschiedet sich mein Gehirn in den Panikzustand. Das kommt zwar selten vor, da ich wirklich darauf achte, nichts herumliegen zu lassen, was ich nicht mehr benötige. Aber wenn das mal der Fall ist, dann muss ich erstmal aufräumen, um wieder klar denken zu können. Dieses Verhalten beschreibt auch Daniel J. Levitin in seinem Buch „The Organized Mind“. Er ist Professor für Psychologie, Verhaltensforschung und Musik an der McGill Universität in Montreal. Levitin beschreibt, dass schon der alleinige Akt des Organisierens Stress reduzieren kann. Deswegen ist es für viele Menschen sehr beruhigend, wenn sie einen gut organisierten Arbeitsplatz haben. In solch einem Umfeld sind sie produktiver und fokussierter.
So gehst du gegen Chaos vor
Genug der Vorrede. Wenn du vorher noch nicht überzeugt davon warst, dass dein Schreibtisch etwas mit dem Zustand in deinem Kopf zu tun hat, bist du es hoffentlich jetzt. Darum will ich jetzt konkret werden und dir sagen, wie du vorgehen kannst, wenn du dem Chaos ein Ende bereiten möchtest.
Zuerst solltest du dir Zeit dafür nehmen. Du schmeißt schließlich dein komplettes System um das dich jahrelang begleitet hat. Das passiert nicht innerhalb von fünf Minuten. Du sollst dich schließlich damit wohlfühlen. Versuch dich nicht in ein Korsett zu zwängen, was dir nicht passt und sich nicht gut anfühlt. Du alleine kennst deine Bedürfnisse und solltest daher auf sie hören. Das kann und wird niemand anders für dich machen.
Was brauchst du wirklich?
Wenn du dir ein Zeitfenster geschaffen hast, räum zuerst deinen Schreibtisch komplett leer und setz dich für ein paar Minuten auf deinen Stuhl. Wie fühlt es sich an? Bist du erleichtert? Fühlst du dich fokussierter/ produktiver? Wenn du magst, kannst du auch einen ganzen Arbeitstag damit verbringen, wenn du dich näher mit dem Gefühl vertraut machen möchtest. Keine Sorge dieser Artikel wird kein Plädoyer für absoluten Minimalismus. Allerdings hilft uns diese Form der Organisation dabei zu erkennen, was wir wirklich jeden Tag benötigen und was dort einfach nur rumsteht, weil es schon immer dort stand. Das eigentliche Problem sind nämlich nicht die Stapel auf unseren Schreibtischen, sondern die Gedanken, die mit ihnen einhergehen. In ihnen werten wir uns ab und nähren so unseren täglichen Frust immer weiter. Auf Dauer schaffen wir damit eine Blockade im Kopf. So, und jetzt machst du die ersten kleinen Schritte nachdem du deinen Schreibtisch entleert hast. Ja, es ist leicht und das darf es auch sein. Denk immer daran, dass du dich damit wohl fühlen sollst.
Aussortieren, Struktur überlegen und Plätze zuweisen
Als erstes solltest du dir die Dinge, die du von deinem Tisch geräumt hast einmal ansehen. Brauchst du sie? Funktionieren die 10 schwarzen Kugelschreiber überhaupt noch alle oder kannst du auch welche wegschmeißen? Was sind das alles für Unterlagen? Wenn du sie benötigst, leg sie beiseite. Wenn nicht, schmeiß sie weg. Wir müssen lernen uns von Ballast zu befreien. Denn physischer Ballast kann schnell zu psychischem Ballast werden. Also weg mit dem hundertsten Flyer einer Werbeagentur, den du dir sowieso noch nicht angesehen hast und es auch wie bei seinen 99 Vorgängern nicht tun wirst. Wenn du dich damit noch schwer tust, kannst du die Unterlagen auch erstmal einscannen oder an einem passenden Ort abheften. Aber probiere es einfach mal aus. Ausmisten tut dir gut.
Wie möchtest du arbeiten?
Wenn du mit dem Aussortieren fertig bist, überleg dir als nächstes eine Struktur. Frag dich „Wie möchte ich arbeiten?“, „Wie sollen meine Unterlagen sortiert sein?“ und „Wie macht es für mich Sinn und ist praktikabel?“. Das kann z. B. sein, dass du eine bestimmte Art von Belegen in einem dafür angelegten Ordner abheftest. Das kannst du täglich, einmal in der Woche oder einmal im Monat tun, je nachdem wie viele von diesen Belegen anfallen. Als nächstes suchst du dir die Gegenstände zusammen, die du jeden Tag brauchst. Diese solltest du in Griffweite platzieren, damit du unnötige Handgriffe vermeidest. Wenn du diese hast, schaffst du nämlich direkte Barrieren, die dich dazu bringen, deine neu geschaffene Ordnung wieder über den Haufen zu werfen. Weiter geht es. Kannst du vielleicht Themeninseln aus diesen Gegenständen bilden? Wenn die Dinge zusammen passen, wie z. B. Locher, Tacker und Brieföffner, kannst du sie nämlich an einem bestimmten Platz auf deinem Schreibtisch zusammenstellen. Somit haben sie ihren festen Platz, an den du sie immer wieder direkt zurückstellen kannst. Die restliche Fläche deines Tisches bleibt frei.
Nun kannst du auch den anderen Gegenständen feste Plätze in deinen Schränken und Schubladen zuweisen. Hier musst du dich anfangs vielleicht konsequent daran erinnern, sie dorthin zurück zu räumen, sobald du sie nicht mehr brauchst, es wird sich aber lohnen. Es handelt sich hierbei nämlich um Mini-Gewohnheiten. Wenn du sie trainierst wirst du langfristig davon profitieren, weil du Zeit mit ihnen sparst.
Alles dreht sich um Routinen
Du kannst dir auch überlegen, für Dokumente die du bearbeitest, ein Drei-Körbe-System einzuführen. Dieses beinhaltet einen Eingangskorb, einen für Tagesaktivitäten und einen Ausgangskorb. Du kannst dir eine eigene Regel für dieses System überlegen. Diese könnte z. B. lauten, dass du die Körbe mehrfach in der Woche leerst und bearbeitest bzw. deinen Ausgangskorb wegbringst oder abheftest. Die konsequente Ablage solltest du sowohl physisch als auch digital für deine E-Mails etablieren. Denn sonst hast du dort das gleiche Problem wie auf deinem überfrachteten Schreibtisch. Leg hierfür am besten von vornherein Tage fest und blocke dir hierfür Zeiten in deinem Terminkalender. Man spricht hier auch von der Zeitmanagementmethode des Timeboxings. Wenn du einer Aufgabe einen festen Start- und Endzeitpunkt zuweist und darauf achtest diese Zeiten nicht zu überschreiten, erfüllst du deine Timebox.
Für den Anfang würde ich dir raten, solche Timeboxen auch für das allgemeine Aufräumen deines Schreibtisches einzuführen. Denn die Unordnung dort konnte sich durch viele kleine Gewohnheiten etablieren, die du jeden Tag ganz unbewusst ausgeführt hast. Deswegen funktioniert es leider nicht von heute auf morgen, diese plötzlich abzulegen.
Vereinbare Aufräum-Dates
Verabrede dich also regelmäßig mit dir selbst zu einem Aufräum-Date. Du wirst sehen, je öfter du diese Termine mit dir selbst hast, desto weniger wirst du sie brauchen, da du neue ordentliche Routinen entwickelst und sie schon im täglichen Geschehen anwendest. Zu Beginn wird es dir sicher erstmal schwer falle, dich an die neuen Abläufe zu gewöhnen. Mach es dir leicht und bestich dich selbst z.B. mit deinem Lieblingsgetränk oder einem entspannten Abend mit Freund*innen. Darauf kannst du dich schon während der Arbeit freuen und so ist sie schon halb erledigt.
Oder du machst ein Spiel daraus. Wenn du nicht weißt, wo du mit der Bewältigung des Chaos anfangen sollst, schreibst du die ganzen To Dos auf Zettel und ziehst anschließend einen davon. Diese Aufgabe, wir sagen jetzt mal es ist „Ablage ausräumen“ oder „Monitor putzen“, erledigst du dann. Anschließend ziehst du den nächsten Zettel, erledigst die Aufgabe und so weiter. So bringst du Abwechslung in die Tätigkeit des Aufräumens und nimmst dir selbst die Entscheidung ab, was du als nächstes machst.
Du kannst auch mit Mini-Gewohnheiten starten. Idealerweise schaffst du dir welche, die an einer Handlung andocken, die du sowieso schon immer machst. Wenn du z. B. deinen Bildschirm ausschaltest, kannst du auch gleich dein Glas oder deine Tasse mit in die Küche nehmen. Oder wenn du den Locher benutzt hast, stellst du ihn direkt zurück an seinen Platz. Eine andere Gewohnheit, die du etablieren solltest ist, dass du jeden Abend dein Büro aufräumst. Ja du liest richtig, dein Büro, nicht nur deinen Schreibtisch. Denn so kannst du den nächsten Tag in einem aufgeräumten Büro beginnen und dich direkt den wirklich wichtigen Dingen zuwenden. Mein Motto hierbei ist „Denke Abends schon an Morgen“.
Deine Take Aways
Ordnung ist ganz individuell und wird von jeder*/ jedem* anders bewertet. Man muss eben mit sich und seiner Ordnung zufrieden sein. Und doch sollte jede*r von uns ein paar Grundregeln beherzigen. Gerade am Arbeitsplatz ist Ordnung eine Frage der Höflichkeit. Ein aufgeräumtes Büro sorgt nämlich für bessere Stimmung bei den Kolleg*innen, wenn der Raum sauber ist und alle Unterlagen schnell greifbar sind. Des Weiteren bleibt deine Konzentrationsfähigkeit erhalten, da du deine Arbeit nicht ständig für lange Suchaktionen unterbrechen musst. Ordnung macht dich also fokussierter und produktiver. Zudem kann dich ein aufgeräumter Schreibtisch entlasten und verschafft dir selbst Klarheit. Denn der Akt des Aufräumens signalisiert nicht nur physisch, dass eine Sache abgeschlossen wurde und nun Platz für Neues entsteht. Er mistet auch die Gedanken aus und macht den Kopf frei für frische Impulse.
Wie sind deine Erfahrungen mit unordentlichen Schreibtischen? Hast du mit deinen Kolleg*innen schon mal darüber gesprochen? Teile deine Erfahrungen gerne in den Kommentaren oder auf Instagram mit mir.